Er ist das aktuelle «Aktenzeichen»-Gesicht: Rudi Cerne.
Interview mit Rudi Cerne:
«Wenn ich an Eduard Zimmermann denke, kommt mir die grosse Brille in den Sinn»
Die Sendung hat eine lange Tradition, das Zuschauerinteresse ist nach 50 Jahren ungebrochen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Rudi Cerne: Ich kann das unterstreichen. Wir erleben seit Jahren eine gewisse Renaissance. «Aktenzeichen XY ... ungelöst» hat eine ausserordentliche Relevanz – ein Flaggschiff in der deutschen Fernsehlandschaft. Wir haben immer wieder an den Stellschrauben gedreht, aber haben den Ursprung der Sendung nie verändert.
Belasten Sie die Fälle persönlich, wie gehen Sie im Alltag damit um?
Ich habe kein Rezept, aber ich habe einen guten Mechanismus, wie ich nach so einer Sendung relativ gut abschalten kann. Das empfehlen mir auch immer wieder die zuständigen Ermittler. Die Kommissarinnen und Kommissare sind natürlich viel näher an den Verbrechen dran. Ich bin da distanzierter. Aber bei den Spezial-Ausgaben, wenn es um vermisste Kinder und Personen geht: Wenn ich dann Angehörige hier im Studio habe, ist das sehr emotional. Ich kann nichtsdestotrotz nach jeder Sendung gut schlafen.
Welche Erinnerungen haben Sie an Eduard Zimmermann als Erfinder der Sendung?
Ganz spontan: die grosse Brille. Über die hatte man sich meiner Meinung nach oft ungerechtfertigt amüsiert. Was mir sehr in Erinnerung geblieben ist, dass Eduard Zimmermann nie reisserisch war. Ich fand immer sehr beeindruckend, wie sachlich und nüchtern, aber informativ er mit all diesen Informationen umgegangen ist. Und mir hat imponiert, wie er den Kommissaren die Nervosität genommen hat. Eine nachhaltige Begegnung hatte ich mit Eduard Zimmermann bei unserem ersten Gespräch, das in Zürich stattgefunden hat, in einem konspirativen Hotelzimmer. Wir hatten uns dort getroffen, weil alles noch auf der höchsten Geheimhaltungsstufe stattfand – er wusste noch nicht, ob ich einschlagen würde. Eduard Zimmermann war exzellent vorbereitet – danach habe ich zugesagt.
Sie blicken auf 15 Jahre Moderation der Sendung zurück, haben «Aktenzeichen XY ... ungelöst» aber viele Jahre vor dem Bildschirm verfolgt. Was ist Ihnen als Zuschauer in besonderer Erinnerung?
Mir sind natürlich die Riffelglas-Blenden in Erinnerung, die fürchterlichen Taten, die Leichen, die man gefunden, deren Bilder man aber nie gesehen hat. Man hat immer nur Teile gesehen, aber hat schon vorher die Decke vor das Gesicht gezogen. Mir sind aber noch viel mehr die Fälle in Erinnerung, die ich miterlebt habe – beispielsweise der Fall von Levke Strassheim, die mit acht Jahren sexuell missbraucht und getötet wurde. Dieser Fall konnte durch einen sehr trickreichen Kommissar geklärt werden, der über die Ausstrahlung bei «XY» Hinweise bekommen hatte. Auch der Fall der Lolita Brieger: 29 Jahre nach der Tat konnte der Täter überführt werden. Oder Sigrid Paulus, die von ihrem eigenen Ehemann erwürgt worden war. Er hatte sie – wie sich später herausstellte – im Keller eingemauert, hinter einem Weinregal, und sie konnte nie ausfindig gemacht werden. Aber nach der Ausstrahlung bei «XY» gab es den richterlichen Beschluss, Umbaumassnahmen an dem Haus durchzuführen, und tatsächlich konnte der Fall geklärt werden. Das ist dann sehr ergreifend, und das macht uns alle sehr stolz.
Was würden Sie sich für die Zukunft der Sendung wünschen?
Dass wir den Sinn und Zweck der Sendung nie verlassen und wir immer an den Stellschrauben drehen. Eduard Zimmermann hatte mal zu mir gesagt: «Wir müssen mit der Zeit gehen, sonst spielen wir vor leeren Häusern.» Die Einschaltquote ist wichtig für die Aufklärung, und ich hoffe, dass die Aufklärungsquote bei 40 Prozent bleibt – dann sind wir happy.